Der Fall
Der Arbeitnehmer ist seit 1994 bei der Arbeitgeberin als Altenpfleger beschäftigt und seit 20 Jahren Mitglied des Betriebsrats sowie Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Die Arbeitgeberin, die ein Senioren- und Pflegezentrum betreibt, beabsichtigte, ihre Mitarbeiter im Nachtdienst dahingehend zu kontrollieren, wie viel Zeit ein Mitarbeiter benötigt, bis er einem Klingelruf nachkommt. Zu diesem Vorhaben schrieb das Betriebsratsmitglied eine E-Mail, in der er u. a. ausführte: „Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem, was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann […].“
Diese Äußerung wollte die Arbeitgeberin nicht hinnehmen und beantragte beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds. Da der Betriebsrat die Zustimmung nicht erteilte, beantragte die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht.
Die Entscheidung
Sowohl das Arbeitsgericht Oberhausen als auch das LAG Düsseldorf wiesen den Antrag zurück. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf sei zwar ein Vergleich der betrieblichen Verhältnisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung. Die beanstandete E-Mail des Betriebsratsmitgliedes enthielt aber einen solchen Vergleich gerade nicht. Denn das Betriebsratsmitglied habe lediglich vor einer gefährlichen Entwicklung gewarnt und damit allenfalls auf die Verhältnisse der Weimarer Republik angespielt. Das Betriebsratsmitglied habe klargestellt, dass verhindert werden soll, dass etwas „irgendwann aus dem Ruder laufen kann“. Eine solche Äußerung sei von der Meinungsfreiheit geschützt und berechtige den Arbeitgeber nicht zum Ausspruch einer Kündigung.
Was Sie wissen sollten
Die Mitglieder des Betriebsrates genießen nach § 15 KSchG Sonderkündigungsschutz und können nur aus wichtigem Grund außerordentlich – im Regelfall fristlos – gekündigt werden. Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber nach § 103 BetrVG beim Betriebsrat die Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung einzuholen. Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung nicht, muss der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung beantragen. Erst wenn das Arbeitsgericht die Zustimmung durch Beschluss ersetzt hat, darf der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen.
Das Arbeitsgericht wird die Zustimmung zur Kündigung dann ersetzen, wenn es die Auffassung vertritt, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt. In der arbeitsgerichtlichen Praxis handelt es sich häufig um Fälle, in denen sich Betriebsratsmitglieder in abfälliger und herabwürdigender Weise über den Arbeitgeber äußern. Das LAG Düsseldorf hat nunmehr entschieden, dass allein der Vergleich der betrieblichen Verhältnisse mit der Vorstufe eines diktatorischen bzw. totalitären Regimes noch nicht zum Ausspruch einer Kündigung ausreicht. Derartige Vergleiche seien insofern zulässig und von der Meinungsfreiheit geschützt.