Der Fall
Ein Kfz-Mechaniker führte im Sozialraum seines Betriebes ein Gespräch mit einer ihm bislang nicht bekannten Reinigungskraft, in dessen Verlauf er die Bemerkung fallen ließ, sie habe einen schönen Busen. Dabei berührte er sie an der Brust. Als die Reinigungskraft erklärte, sie wünsche dies nicht, ließ der Mechaniker sofort von ihr ab.
Nachdem der Arbeitgeber von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, wurde der Mechaniker zu einem Gespräch gebeten. Er erklärte, dass er sich eine Sekunde lang vergessen habe. Die Angelegenheit tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen. Dennoch kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht sah in dem Verhalten des klagenden Mechanikers zwar einen „an sich“ wichtigen Grund, der die Beklagte zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen kann. Im konkreten Einzelfall hätte jedoch eine Abmahnung als Reaktion des Arbeitgebers ausgereicht. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz eines an sich wichtigen Grundes zumutbar ist, ist stets im Rahmen einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung und das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes gegeneinander abzuwägen.
Im konkreten Fall ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts das Interesse des klagenden Arbeitnehmers höher zu bewerten. Der Arbeitgeber hätte zunächst abmahnen müssen. Dies wird damit begründet, dass keine Umstände vorlägen, die den Arbeitgeber zu der Annahme berechtigt hätten, dass der Kläger derartiges Verhalten – insbesondere nach Ausspruch einer Abmahnung – wiederholen würde. Das Bundesarbeitsgericht ging auch aufgrund des Umstandes, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten zutiefst bedauerte, von einem „einmaligen Augenblicksversagen“ aus.
Was Sie wissen sollten
Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung – egal ob fristlos oder fristgerecht – hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob davon auszugehen ist, dass es zukünftig erneut zu gleichartigen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers kommen wird. Nur dann ist eine Kündigung überhaupt möglich.
Wenn das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitnehmers in einer sexuellen Belästigung liegt, kommt es nach dem Bundesarbeitsgericht maßgeblich darauf an, wie der Arbeitnehmer zu seiner Tat steht. Räumt der Arbeitnehmer die Vorwürfe ein und bedauert diese, wird wohl im Regelfall eine Abmahnung ausreichen. Stellt der Arbeitnehmer hingegen sein Verhalten als völlig normal dar und beklagt sich möglicherweise noch darüber, dass die sexuell belästigte Arbeitnehmerin überreagiert, wird der Ausspruch einer Kündigung – gegebenenfalls fristlos – wohl rechtmäßig sein, da in diesem Falle davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer das für ihn offensichtlich normale Verhalten zukünftig wiederholen wird.
Will ein Arbeitgeber wegen einer sexuellen Belästigung einen Mitarbeiter kündigen, empfiehlt es sich deshalb immer, vor Ausspruch der Kündigung ein Gespräch zu führen und den Arbeitnehmer zu dessen Verhalten zu befragen. Über die Befragung sollte ein schriftliches Protokoll angefertigt werden. Zeigt der Arbeitnehmer Einsicht und Reue und versichert, dass er zukünftig ein derartiges Verhalten nicht wiederholen wird, sollte ggf. nur abgemahnt werden. Eine Kündigung könnte unverhältnismäßig und damit unwirksam sein.
Das vollständige Urteil finden Sie hier.