Annahmeverzug bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses: BAG vom 19.08.2015 – 5 AZR 975/13

Wird durch ein arbeitsgerichtliches Urteil rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet, hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber für vergangene Zeiträume keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges bzw. der Unmöglichkeit.

Der Fall

Die Klägerin war zunächst bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 01.01.1987 durch Betriebsübergang auf die C. GmbH über. Anlässlich des Betriebsübergangs wurde zwischen dem Betriebsrat der Beklagten und der Beklagten eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die ein Rückkehrrecht vorsah, wie folgt:

„Die B. AG garantiert den am 01.01.1987 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der B. AG, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.“

Über das Vermögen der übernehmenden C. GmbH wurde im Jahr 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter stellte den Betrieb mit Wirkung zum 31.01.2010 ein und kündigte deswegen der klagenden Arbeitnehmerin zu diesem Zeitpunkt.

Erstmals am 07.10.2009 hat die Klägerin ihren Anspruch gegen die Beklagte auf Einstellung unter Bezugnahme auf das in der Betriebsvereinbarung geregelte Rückkehrrecht geltend gemacht. Die Beklagte hat jedoch abgelehnt, die Klägerin zu beschäftigen. Nachdem in einem vorangegangenen Verfahren rechtskräftig festgestellt wurde, dass ein Rückkehrrecht der Klägerin besteht und die Beklagte deswegen dazu verpflichtet ist, die Klägerin zu beschäftigen, machte die Klägerin in einem neuen Verfahren Annahmeverzugslohnansprüche ab dem 01.02.2010 geltend.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht verneinte entsprechende Zahlungsansprüche der Klägerin. Zwar komme grundsätzlich ein Anspruch in Betracht, weil sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befunden bzw. weil die (rückwirkende) Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich geworden sein könnte. Im vorliegenden Fall sei jedoch ein Anspruch nicht gegeben, weil hierfür ein tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis vorausgesetzt werde. Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis ist jedoch für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume nicht tatsächlich durchführbar, weshalb es an einer Tatbestandsvoraussetzung für den Annahmeverzug fehle. Auch unter Unmöglichkeitsgesichtspunkten bestehe kein Anspruch, da die Beklagte die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung für die Vergangenheit nicht zu verantworten habe. Die Beklagte hätte sich – so das BAG – in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden.

Was Sie wissen sollten

Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „ohne Arbeit keinen Lohn“. Grundsätzlich hat danach der Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf Arbeitsentgelt, wenn er auch tatsächlich gearbeitet hat. Von diesem Grundsatz gibt es zahlreiche Ausnahmen, wie z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Antritt von Erholungsurlaub etc.

Eine weitere Ausnahme bildet der sogenannte Annahmeverzug. Dieser tritt ein, wenn der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt, obwohl ihm dies möglich wäre. Am häufigsten tritt der Annahmeverzug nach Ausspruch einer Kündigung ein, gegen die der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat. Stellt das Arbeitsgericht schlussendlich fest, dass der Ausspruch der Kündigung rechtswidrig war und die Kündigung deswegen das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, so hat der Arbeitgeber die zwischenzeitlich entstandenen Lohnansprüche ab Ablauf der Kündigungsfrist nachträglich zu erfüllen.

Anders verhält sich dies nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dann, wenn es nicht um die Frage geht, ob das Arbeitsverhältnis beendet wurde, sondern um die Frage, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis besteht. In diesem Fall soll – so das Bundesarbeitsgericht – ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn für zurückliegende Zeiten nicht bestehen, da insofern kein tatsächlich durchzuführendes Arbeitsverhältnis gegeben sei und es insofern an einer Tatbestandsvoraussetzung fehle.

Das vollständige Urteil finden Sie hier.

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