Der Fall
Die Klägerin ist die Krankenkasse eines Arbeitnehmers der Beklagten. Dieser hatte wegen seiner Alkoholabhängigkeit bereits zwei Entziehungskuren durchgeführt. Allerdings wurde er erneut rückfällig, was dazu führte, dass er längere Zeit arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Für diese Zeit erhielt er von der Klägerin Krankengeld. Die Klägerin war der Meinung, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1 EFZG gegen die Beklagte zusteht, welcher durch die Krankengeldzahlung auf sie übergegangen ist. Diesen Anspruch machte die Klägerin klageweise geltend.
Die Entscheidung
Voraussetzung eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1 EFZG ist, dass den Arbeitnehmer kein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit trifft. Das Bundesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass regelmäßig davon auszugehend sei, dass solch ein Rückfall unverschuldet ist. Allerdings sei nach dem Stand der medizinischen Forschung nicht auszuschließen, dass der Arbeitnehmer den Rückfall willentlich herbeigeführt hat, weshalb nicht grundsätzlich das Nichtvorliegen eines Verschuldens angenommen werden kann. Dies könne aber nur mit Hilfe eines medizinischen Gutachtens geklärt werden. Im vorliegenden Fall kam das Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zu dem Ergebnis, dass der Rückfall nicht verschuldet war. Deshalb habe der Arbeitnehmer einen Anspruch gem. § 3 Abs. 1 EFZG gegen seinen Arbeitgeber.
Was Sie wissen sollten
Das Bundesarbeitsgericht geht schon seit langem davon aus, dass Alkoholabhängigkeit eine nicht heilbare Krankheit darstellt. Allerdings vertrat das Bundesarbeitsgericht bislang die Ansicht, dass den Arbeitnehmer ein Verschulden gegen sich selbst treffe, wenn er nach einer Entziehungskur, in der auf die Gefahren des Alkoholgenusses hingewiesen wurde, rückfällig wurde. Ein Anspruch gem. § 3 Abs. 1 EFZG war demnach nach früherer Rechtsprechung im Regelfall ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr aufgrund des derzeitigen Stands der medizinischen Erkenntnisse geändert.
Will der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern, so muss er in einem gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte für ein Verschulden des Arbeitnehmers vortragen. Gelingt dem Arbeitgeber dies, wird das Gericht auf Antrag eine Begutachtung des Arbeitnehmers anordnen, an der der Arbeitnehmer mitwirken muss. Bleiben auch nach dem Ergebnis des Gutachtens Zweifel am Verschulden, gehen diese zu Lasten des Arbeitgebers. Von einem Verschulden kann dann nicht ausgegangen werden, mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zusteht.
Das vollständige Urteil finden Sie hier.