Krankheitsbedingte Kündigung ohne betriebliches Eingliederungsmanagement: ArbG Berlin vom 16.10.2015 – 28 Ca 9065/15

Vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die Initiative zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ergreifen. Unterlässt er dies, kann die Kündigung alleine deswegen rechtsunwirksam sein.

Der Fall

Der Arbeitnehmer war wegen einer Tumorerkrankung länger als ein Jahr dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Aufgrund der Erkrankung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, da er davon ausging, dass der Arbeitnehmer wegen der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren wird. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Berlin hielt die Kündigung für rechtsunwirksam, da der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung kein BEM eingeleitet hat. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass ein Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung prüfen müsse, warum der Arbeitnehmer auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden könne, warum ein Einsatz nach leidensgerechter Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes ausgeschlossen sei und warum auch eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz mit einer anderen Tätigkeit nicht möglich sei. Im Rahmen dieser Prüfung habe der Arbeitgeber ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer, unter Umständen unter Einbeziehung eines Sachverständigen zu führen, in dessen Rahmen insbesondere mögliche Änderungen der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte, als auch eine mögliche Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit zu prüfen seien. Unterlässt der Arbeitgeber dies, sei eine Kündigung regelmäßig unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam.

Was Sie wissen sollten

Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank ist. Die Durchführung des BEM ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Führt der Arbeitgeber aber kein BEM durch, muss er in einem Kündigungsschutzverfahren beweisen, dass ein BEM objektiv nutzlos gewesen wäre. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen sein soll und warum der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können. Der Arbeitgeber muss demnach darlegen und gegebenenfalls beweisen, warum ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG vom 20.11.2014, 2 AZR 755/13).

Regelmäßig wird es dem Arbeitgeber nicht gelingen, die objektive Nutzlosigkeit eines BEM zu beweisen. Aus Arbeitgebersicht sollte daher größter Wert darauf gelegt werden, ein BEM zunächst ordnungsgemäß einzuleiten und im Falle, dass der Arbeitnehmer sich darauf einlässt, ordnungsgemäß durchzuführen. Wird einem Arbeitnehmer ohne vorherige Durchführung eines BEM krankheitsbedingt gekündigt, sind dessen Aussichten in einem Kündigungsschutzverfahren als ausgesprochen gut zu bewerten. Aus Arbeitnehmersicht empfiehlt sich in derartigen Fällen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

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