Kündigung wegen herablassender Äußerungen in einer WhatsApp-Gruppe: BAG vom 24.08.2023 - 2 AZR 17/23, 2 AZR 18/23 und 2 AZR 19/23

Werden in einer WhatsApp-Gruppe grob beleidigende und menschenverachtende Nachrichten über den Arbeitgeber bzw. Kollegen ausgetauscht, dürfen die Gruppenmitglieder nicht ohne weiteres von einer Vertraulichkeit des Austauschs ausgehen. Bei unberechtigter Vertraulichkeitserwartung kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Der Fall

Die Kläger waren jahrelang befreundet und arbeiteten gemeinsam bei der Beklagten, einem Luftverkehrsunternehmen. Sie waren alle Mitglieder einer privaten WhatsApp-Gruppe, in der sie über mehrere Jahre hinweg Nachrichten, u.a. mit Bezug zur Arbeit austauschten. Dieser Austausch enthielt zahlreiche grob beleidigende Äußerungen, teilweise mit sexuellem oder rassistischen Hintergrund. Diese Äußerungen wurden dem Betriebsrat zugespielt, der die WhatsApp-Korrespondenz an den Arbeitgeber weiterleitete. Dieser kündigte die Arbeitsverhältnisse außerordentlich fristlos, obwohl das Verhalten der Gruppenmitglieder im Übrigen keinen Anlass zu Beanstandungen gab. Die Kläger machten gerichtlich geltend, dass die Kündigungen rechtswirksam sind.

 

Die Entscheidung

Die Vorinstanzen gaben den Klägern Recht und erklärten die Kündigungen für unwirksam. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass die getätigten Äußerungen zwar grundsätzlich zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnten. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass die Nachrichten im Rahmen einer vertraulichen Kommunikation ausgetauscht wurden. Die Kläger durften davon ausgehen, dass die Äußerungen den Kreis der Gruppenmitglieder nicht verlassen würden. Unter solchen Umständen getroffene Äußerungen genießen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgehe.

Das BAG Hat die Entscheidungen der Vorinstanz aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe nach Auffassung des BAG rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung der Kläger angenommen. Eine solche sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum sei abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

 

Was Sie wissen sollten

Grundsätzlich ist Lästern über den Arbeitgeber im Kollegenkreis erlaubt. Dies zumindest so lange, wie die Lästereien in einem vertraulichem Rahmen stattfinden und nur einem abgrenzbaren Personenkreis zugänglich sind. Unter diesen Bedingungen darf auch durchaus überspitzt und grob formuliert werden. Nach dem Urteil des BAG wird man allerdings davon ausgehen müssen, dass die an sich berechtigte Vertraulichkeitserwartung abnimmt, je schärfer und beleidigender die Äußerungen sind.

Das BAG hat nicht abschließend entschieden, ob die Kündigungen wirksam sind, sondern an das LAG zurückverwiesen. Das LAG wird nun klären müssen, ob und ggf. warum die Kläger eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durften.

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